Blick über den Tellerrand

      Wilm schrieb:

      Kann mir jemand beantworten welches Borgwardmodell das wohl ist?


      Das Auto erinnert stark an die Borgward Rennwagen der frühen 50er Jahre ("Borgward Hansa 1500 RS"), nur hier mit aufgesetztem Hardtop. Dafür spricht auch, dass es nur links einen Einstieg gibt sowie die 3 Luftöffnungen auf der Fahrerseite, die rechts nur Atrappe sind.

      Ich habe diese Fotos auch irgendwo schon mal gesehen, weiß aber nicht mehr wo. Aus dem Bauch heraus tippe ich auf eine alte Auto-Motor-Sport-Zeitschrift. Die habe ich von etwa Mitte/Ende der 50er Jahre, und auch alle (!) in den 90er Jahren mal gelesen. Aber die Erinnerung lässt nach.

      In meinem Archiv habe ich ein Foto gefunden, dass mit ziemlicher Sicherheit das gleiche Fahrzeug ist. Es ist bei mir betitelt mit "Borgward Hansa 1500 Coupe (Prototyp?)", aber genaueres kann ich nicht sagen. Sowas ist bei mir meistens "Beifang" im Zuge von anderen Recherchen (Karmann, etc.):

      Borgward Coupe Prototyp.jpg


      Grüße, Jörg

      altopelfreak schrieb:

      Aber mit Rücklichtern von Fords Weltkugeltaunus? Als Kreation aus dem Borgward-Werk damit nur schwer vorstellbar!


      Das ist ja gerade bei einer Recherche das spannende, was und wie sich die Autos im Lauf der letzten Jahre verändert haben, und wo sie gewesen sind. Und vorstellbar ist vieles.

      Gehen wir doch mal analytisch vor: Wilms Fotos zeigen einen von den Proportionen in meinen Augen wenig gelungenen Wagen, der Elemente vom den Werksrennwagen Borgward Hansa RS 1500 aufweisen. Auffällig sind die seitlichen Lufteinlässe und die seitliche Klappe, die als Einstieg fungiert. Von einer Tür kann man eigentlich nicht reden. Der Wagen hängt an einer Gabel, also an einer Zugvorrichtung, so dass davon auszugehen ist, dass das Auto geschleppt wurde. Es sind ja auch keine Kennzeichen angebracht.

      Borgwart Modell.jpg Seitenansicht Hardtop.jpg Seitenansicht Rennwagen.jpg

      Aufgrund dieser Äußerlichkeiten könnte man davon ausgehen, dass es sich bei dem "Coupe" auf Wilms Foto durchaus um einen der ehemaligen Rennwagen handelt, der (warum auch immer) entsprechend umgebaut wurde. Es ist (mir) nicht bekannt, wann das Rennwagen-Foto aufgenommen wurde. Vermutet wird, dass Hans Hermann am Steuer sitzt.

      Zu den Rennwagen selbst findet man im Netz (Quelle: auto-motor-und-sport.de/oldtim…alu-flunder-aus-den-50ern )

      Sein Vater Fritz arbeitet ab 1949 in der Borgward-Rennabteilung und sitzt auch als Pilot hinterm Holzlenkrad des Zweisitzers. (...) Laufend wird etwas an den drei Werksrennwagen verändert, angefangen beim Fahrwerk über Rahmen und Motor bis hin zur Karosserie. (...) Danach bleiben Erfolge immer öfter aus, bis sich die Bremer 1958 entscheiden, aus dem Motorsport auszusteigen. (...) 1961 geht Borgward pleite. (...) Aus der Konkursmasse sichert er sich mit einem Kollegen den motorlosen RS als Ersatz für ausstehenden Lohn.

      Hier erfahren wir also, dass mindestens einer der Rennwagen in Privathand überging. Dieser Rennwagen in Privathand (im verlinkten Artikel erfährt man mehr über den heutigen Eigentümer) ist NICHT der Rennwagen von "meinem" verlinkten Frontansicht-Foto.

      "Mein" Foto zeigt mit ziemlicher Sicherheit den gleichen Wagen. Hier steht er in einer Werkstatt (oder in der Versuchsabteilung der Borgward-Werke?). Die Werkstatt ist durchaus größer, rechts im Hintergrund sieht man weitere Räume mit ein paar Tischen, auf einem Schrank stehen zwei Fronstsitze. Die Regale und Tische sind aber ziemlich leer, auf dem Boden stehen nur ein paar Kisten in einer Ecke. Die Tische zeigen deutliche Gebrauchsspuren, hier wurde mal hart gearbeitet! Ein Foto aus der Zeit unmittelbar nach dem Konkurs von Borgward? Sind Werkzeug und anderer verwertbare Sachen vielleicht schon vom Konkursverwalter beschlagnahmt?

      Borgward Coupe Prototyp.jpg

      Die Frontansicht ist aus meiner Sicht ziemlich gelungen. Das Auto scheint bereits lackiert zu sein, auf der Haube liegt eine Zierleiste. Das Auto wirkt, als wäre es "fast fertig". Scheibenwischer beispielsweise gibt es nicht. Auch nicht auf Wilms Foto. Man erkennt aber auch auf dem Frontfoto die dicke, bauchige, umalufende Zierleiste. Die vorderen Blinker sind Hella-Leuchten, wie sie an diversen anderen Fahrzeugen oder auch am Wohnwagen Eriba Puck verwendet wurden.

      Es sieht so aus, als wäre das Hardtop nur aufgesetzt (oder aufgeschweißt). Nicht ungewöhnlich, wurde doch auch bei Karmann das Porsche 356 B Karmann Hardtop Coupé anfangs serienmäßig (!) so hergestellt, dass im Werk Karmann auf eine Reutter Cabriolet-Karosserie das optional erhältliche Stahl-Hardtop fest aufgeschweißt wurde.

      Hat man einen der Rennwagen verwendet, dessen Front umgebaut, um eine Studie "Frontansicht Borgward Sportcoupe" oder einen neuen Rennwagen in einer anderen Klasse zu erstellen? Geschah das bei Borgward, oder bereits "privat"? Oder bei einem Karosseriebetrieb, der den ehemaligen Rennwagen aus der Konkursmasse kaufte? Alles denkbar. Ähnliche Geschichten habe ich im Zuge meiner Recherchen über Rometsch und Karmann schon aus "erster Hand" gehört.

      Aber warum hat man dann Blinkleuchten (und wahrscheinlich auch eine Blinkanlage) nachgerüstet? Um das Coupe im Straßenverkehr bewegen zu können? Sicherlich. Ein Rennwagen braucht keine Blinker. Aber was ist mit den Scheibenwischern.

      Auf Wilms Fotos erkennt man den Transporter, an dem das Borgward-Coupe hängt, und im Hintergrund eine Rennstrecke. War es vielleicht immer noch ein (geplanter?) Borgward-Werksrennwagen der in einer bestimmten (Tourenwagen-)Klasse an den Start gehen sollte? Oder ein privater Rennstall, der sich den Rennwagen aus der Konkursmasse sicherte? Welche Rennstrecke sehen wir denn im Hintergrund?

      Jetzt müsste sich Wilm mal melden, woher seine (Zeitungs-)Fotos stammen. Da gibt es doch bestimmt eine Bildunterschrift oder einen Artikel.

      Grüße, Jörg

      Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von „Jörg_250SE“ ()

      Guten Tag Jörg + danke für Deine Recherche, Top !

      Mir gefallen die Proportionen gar nicht schlecht, allein das Dach will gar nicht dazu passen.

      Die Räder (Lochfelgen) + die Frontansicht (Haubenverlauf + Prägung) erinnern (mich) etwas

      an eine Verkleinerung eines BMW 507. Die seitlichen (und etwas grob wirkenden) Sicken sind

      bei einer Einzelanfertigung (Blech) vorteilhaft, weil sie einerseits stabilisierend wirken und

      andererseits Toleranzen aufnehmen.....(siehe Ponton-Rekord). Als eine Coupe / Roadster-Studie

      könnte ich mir das Ding vorstellen, auch als Sonderkarosserie, für Rennzwecke scheint es nicht gemacht.

      Mal sehen, was noch an Erkenntnissen herauskommt...

      Gruß,

      Alfred. H.

      Jörg_250SE schrieb:

      Auf Wilms Fotos erkennt man den Transporter, an dem das Borgward-Coupe hängt, und im Hintergrund eine Rennstrecke. War es vielleicht immer noch ein (geplanter?) Borgward-Werksrennwagen der in einer bestimmten (Tourenwagen-)Klasse an den Start gehen sollte? Oder ein privater Rennstall, der sich den Rennwagen aus der Konkursmasse sicherte? Welche Rennstrecke sehen wir denn im Hintergrund?

      Jetzt müsste sich Wilm mal melden, woher seine (Zeitungs-)Fotos stammen. Da gibt es doch bestimmt eine Bildunterschrift oder einen Artikel.


      Moin Jörg

      Das Fahrzeug ist das private Fahrzeug des ehemaligen Werksfahrers Karl Günther Bechem, besser bekannt vielleicht als Bernd Nacke aus Hagen.Es ist wohl ein Einzelstück und wurde nach Beendigung seiner Rennfahrerkarriere gefertigt. Er hat es privat gefahren aber auch Testfahrten für den Rennsport damit gemacht. Die Fotos stammen vom Nürburgring. Das Modell ist nie in Serie gefertigt worden.Die Bilder stammen aus dem Magazin Auto, Motor und Sport Ausgabe Januar 1957.
      Bevor Du mit den Kopf durch die Wand rennst, überleg dir was du im Nebenzimmer willst. :hmm:




      Wilms Wohnort 48691 Vreden
      Wilms Fuhrpark
      P II Schnelllieferwagen 1700 Bj 60

      Olympia Rekord 1500 Bj 57
      Volvo B 10 M Knickgelenkbus
      VW Sharan
      Hyundai H1
      Ich habe diese Fotos auch irgendwo schon mal gesehen, weiß aber nicht mehr wo. Aus dem Bauch heraus tippe ich auf eine alte Auto-Motor-Sport-Zeitschrift. Die habe ich von etwa Mitte/Ende der 50er Jahre, und auch alle (!) in den 90er Jahren mal gelesen. Aber die Erinnerung lässt nach


      Sehr gut, dann war meine Erinnerung nicht falsch.

      Und der Besitzer passt zu meinen Vermutungen. Dann wird das Auto ebenfalls ein ehemaliger Rennwagen gewesen sein.

      Bestimmt interessant, die Nachfahren zu interviewe. Herr Bechem ist ja erst vor rund 10 Jahren im Alter von fast 90 Jahren verstorben. Da müsste eigentlich noch bekannt sein, wo das Auto herkam und wer es modifiziert hat.
      Hier stellt Peter Kurze sein Buch über die Borgward-Rennwagen aus der Borgward-Reihe vor:



      Dort findet neben Hans-Hugo Hartmann und Adolf Brudes auch der genannte Karl Günther Bechem Erwähnung. Letzterer soll laut einer anderen Quelle jedoch nach 1954 keine Rennen mehr gefahren sein.

      Zu dem gezeigten Auto finden sich in dem Videovortrag leider keine Hinweise. Aber vielleicht in dem Buch selbst?

      Kann mir jedenfalls kaum vorstellen, daß es eine echte Borgward-Schöpfung gewesen ist, denn Ford-Rückleuchten hätten bestimmt vor dem alten Borgward keine Gnade gefunden.

      Tschüß
      Klaus
      So, das Geheimnis um diesen Borgward ist gelüftet!

      Dazu mußte ich gar nicht weit über den Tellerrand schauen, sondern lediglich in mein Bücherregal im Wohnzimmer greifen.

      Es handelt sich nämlich um den Hansa 1500 Roadster von 1954. Mit Kunststoffkarosserie und klappbarem Hardtop, Konstruktion von Erich Übelacker aus Wien, der von C. F. W. Borgward noch für ein paar weitere abenteuerliche Prototypen-Konstruktionen engagiert wurde.

      Die Info fand ich in: "Prototypen und Kleinserien-Fahrzeuge der Borgward- Goliath- und -Lloyd-Werke von Peter Kurze. Serie "Autos aus Bremen", Band 12.

      Zitiere hier mal Auszüge:
      ".......Um die neuen Karosserie-Kunststoffe zu prüfen, wurde dieses Fahrzeug 1954 mit einem glasfaserverstärkten Polyesterharz-Aufbau
      hergestellt dessen Form Erich Übelacker entworfen haben soll.^
      Im geschlossenen Zustand konnte man das Hardtop einseitig nach links oder rechts hochklappen. Das war eine einfache Lösung, allerdings konnten Beifahrer und Fahrer nie gleichzeitig einsteigen. Der Einstieg erfolgte durch Entern des Wagens.......
      Man verwendete das Fahrwerk des Rennsport-Wagens
      (Anm. von mir: Das war eine ganze Serie von Rennsportwagen ab 1951) mit der De-Dion-Hinterachse^. Der Roadster besaß den Motor mit Direkteinspritzung^...... vom Borgward RS aus dem gleichen Jahr (115 PS bei 6000 1/min, Verdichtung 9,8:1)*. Die Maschine hatte den Hansa 1500 Block ........und einen von Karl-Ludwig Brandt verfeinerten Zylinderkopf. Mit zwei in der Höhe unterschiedlichen Kolbensätzen konnten der Rennstrecke angepasste Verdichtungen erzielt werden. In der Presse wurde dieser Motor fälschlicherweise als getuntes Isabella-Aggregat ausgegeben ....... Tatsächlich gab es nie einen RS-Motor, der auf dem Isabella Triebwerk basierte. Nachdem die Borgward-Versuchsabteilung feststellte, dass sich Kunststoff-Karosserien wegen der langen Trocknungszeiten nicht für eine Serienherstellung eigneten, überließ man den über 200 km/h schnellen Roadster dem Hagener Rennfahrer Carl-Günther Bechem. Dieser veräußerte das Fahrzeug um 1957 an einen Spediteur in Ennepetal. Einige Zeit später, auf dem Nürburgring, leckte eine Einspritzleitung und der Kraftstoff entzündete sich am heißen Auspuffkrümmer. Das Fahrzeug mit der leicht brennbaren Kunststoffkarosserie ging in Flammen auf. Der Motor konnte wieder aufgebaut werden und sollte einem AFM-Wagen als Antriebsquelle dienen. "

      Jetzt wissen wir wohl Bescheid. Es gibt dort auch weitere Fotos, die ich hier jedoch nicht einstellen darf.

      Tschüß
      Klaus
      Borgward-Werkstatt Volker Wischnewski in Bruchhausen-Vilsen.
      Ein interessanter Film:


      Herzliche Alt-Opel-Grüße aus Offenbach am Main
      Ha-Jo

      Opel Rekord A LZ 1,5 l von März 1963, Familienbesitz

      nicht: was lange währt, wird endlich gut,
      sondern: was lange fährt, ist wirklich gut!

      Ein Opel ist nie gebraucht oder alt,
      sondern nur eingefahren.....



      Kai-Uwe schrieb:

      Chevrolet bel air 210

      Geiles Teil :thumbsup:
      Als 50er/60er-Jahre-Opelfahrer ist man ja immer gefährdet in die Ami-Szene abzurutschen.
      Zum Glück sind hier in der Gegend meine Erfahrungen mit den Leuten eher mäßig.
      Die Opel-Jungs und Mädels sind viiieeeeel netter. <3
      Schöne Grüße

      Dirk
      "Tausi" :wink:

      aus Meerbusch am Niederrhein (zwischen Krefeld und Düsseldorf)
      "P2"-Käpt´n seit Studientagen (so sieht er auch aus) und seit Ende 2015 auch Diplo-A-C
      Nicht nur die Opel-Leute sind viel netter, mit einem Opel ist man auch immer gern gesehen und es ergeben sich immer nette Gespräche. So plane ich zum Tanken und Einkaufen grundsätzlich immer eine viertel Stunde mehr ein, wenn der Käpt’n dabei ist. Er weckt hat viele positive Erinnerungen und Emotionen bei den Leuten… Von “So einen hatten wir (Vater, Onkel, Metzgermeister, etc) auch mal“ über “Da hab‘ ich damals meinen Führerschein drauf gemacht“ bis “Damit sind wir immer in Urlaub gefahren…“ Immer wieder schön!!!

      Bei den Amis dreht es sich meistens bei den Leuten um den Spritverbrauch, muss nervtötend sein…
      Und während unsere Opels deutsche Wirtschaftswundergeschichte erzählen kämpfen hier die Amis im Rheinland immer noch mit dem Attribut Zuhälterkarren… ;)